Schauplatz Frauenrechte

Frauen in Europa - ein Nebenschauplatz angesichts der großen Zukunftsfragen, meinen Kritiker der Gleichstellungsdebatte. Wer so schreibt, hat die großen Fragen der Zukunft nicht verstanden.

Vision Europa
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Viel Unfug werde in Europa mit dem Frauenthema getrieben. Hier, wo es längst die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau gebe, solle man sich freuen über das Erreichte. So empfand es zumindest die Journalistin Andrea Seibel, als sie ihre Gedanken zum 100. Jahrestag des Internationalen Frauentages im Jahre 2011 veröffentlichte.

So ist der Internationale Frauentag, national betrachtet, ein geradezu lächerliches Ritual. Ein Nebenschauplatz angesichts aller großen Zukunftsfragen."
Andrea Seibel, Die Welt, 7.03.2011

Lächerlich? Sicher, in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen ist die rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen in Europa hergestellt. Frauen dürfen wählen, zum Militär gehen, und sie müssen auch ihre Ehemänner nicht mehr um Erlaubnis fragen, wenn sie eine Arbeit annehmen wollen, sie können Gewalt gegen sie anzeigen und frei im Internet "aufschreien", wenn sie sich sexuell belästigt fühlen. Dennoch, die wirtschaftliche Gleichstellung der Geschlechter ist noch längst nicht überall umgesetzt. Gerade Deutschland hinkt hier im europäischen Vergleich weitgehend hinterher.

Gleichstellung in Ihrer Region? Der Gender-Index misst die Chancen(un)gleichheit von Männern und Frauen. Niedrige Werte reichen bis zu fünf, hohe Werte bis zu dreißig und mehr Indexpunkten. Bundesweit gibt es keine Region, die einen Wert unter 5 Punkten erreicht.

Zwar liegt der Anteil berufstätiger Frauen mit fast 72 Prozent deutlich höher als im europäischen Schnitt (64,9 Prozent). Doch ist in keinem anderen EU-Land das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen derart hoch. Nach Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der 34 Industriestaaten zusammengeschlossen sind, erhalten vollbeschäftigte Frauen in Deutschland durchschnittlich 21,6 Prozent weniger Gehalt als Männer. Im europäischen Schnitt sind es 17 Prozent.

Das ist ungerecht. Ja. Aber geht es Frauen in anderen Regionen der Welt nicht viel schlimmer? Wer so argumentiert, der hat den Zusammenhang von globalem Denken und lokalem Handeln nicht verstanden. Denn in der Diskussion um die wirtschaftliche Gleichstellung geht es bei weitem nicht nur um moralische Fragen, etwa die Durchsetzung von Frauenrechten als universelle Menschenrechte. Vielmehr ist die Frauenfrage ganz unmittelbar mit grundlegenden Zukunftsfragen verbunden und das nicht nur in Europa, sondern eben weltweit.

Je gleichberechtigter Frauen sind, um so positivere Effekte hat dies auf die wirtschaftliche und humanistische Entwicklung in den jeweiligen Gesellschaften. Allein die deutsche Wirtschaftsleistung könnte um 4 Prozent gesteigert werden, wäre das Verhältnis von Frauen und Männern im Erwerbsleben ausgeglichen, so das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung Booz & Company.

Vor diesem Hintergrund erhält die Forderung nach einer europäischen Frauenquote für Führungspositionen noch eine andere Perspektive. Kann sie zur Lösung der Euro-Krise beitragen oder gar die Weltwirtschaft wesentlich befördern?

Bei dem bisherigen Tempo würde es ohne Frauenquote etwa 40 Jahre dauern, bis eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in den Leitungsorganen der großen europäischen Unternehmen überhaupt in greifbare Nähe rückt.

Die UNO hat 1977 den 8. März zum Internationalen Tag für die Rechte der Frau und den Weltfrieden erklärt und damit eine lange, westliche Arbeitertradition globalisiert. Lächerlich ist dieser Tag nirgendwo auf der Welt und überflüssig schon gar nicht.

Chancengleichheit in Brandenburg: Der Kreis Teltow-Fläming schneidet mit einem "Gender Index" von 13,4 Punkten am besten ab. Barnim mit 20,3 am schlechtesten. Das Land Brandenburg liegt mit einem Wert von 16,1 genau im Mittel zwischen beiden Regionen.

Landeszentrale, März 2013

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Kommentare

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.... aber wie bei all diesen Welt____tagen bekomme ich auch beim Weltfrauentag wieder so ein ungutes Gefühl. Am Weltfrauentag Blümchen zu verteilen bringt überhaupt nichts, wenn die Rechte der Frauen an den anderen 364 Tagen missachtet werden. Ebenso sollte man Mütter und Partner das ganze Jahr über schätzen und nicht nur an ihrem jeweiligen "besonderen Tag". HIV wird auch nicht durch die Aufmerksamkeit am Welt-AIDS-Tag geheilt oder ausgemerzt. Es wäre mir wesentlich lieber diese Aufmerksamkeit würde sich in aktivem Handeln über das ganze Jahr verteilen.

Es ist überraschend für mich zu lesen, dass in Deutschland über den Nutzen eines Tages für die Frauen diskutiert wird. In der Ukraine ist der 8. März ein ganz besonderer Tag nicht nur für die Frauen, sondern auch für die Männer. Denn genau an dem Tag übernehmen die Männer die ganzen Arbeiten, die sonst Frauen bzw. Ehefrauen machen.  Außerdem geben sie Blumen und Geschenke an ihre Mütter, Frauen oder Freundinnen.

Es gibt aber auch noch eine andere Seite. Nach Meinung der ukrainischen Politikerin, Irina Farion (von der nationalistischen Partei „Swoboda“), die im Obersten Rat (Werchowna Rada) des ukrainischen Parlaments sitzt, ist dieser Feiertag „das Rudiment bzw. ein Überbleibsel des sowjetischen Denkens“. Das ist auch richtig. Denn nur an diesem einzigen Tag wird den Frauen viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Leider sieht der Alltag anders aus. Die Fragen nach Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist immer noch ein großes Thema. Die Frauenrechte in der Ukraine sind noch auf dem Weg zur Entwicklung und weit von den europäischen Standards entfernt. Im Artikel 24 des ukrainischen Grundgesetzes geht es um die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Sie haben gleiche Rechte und Freiheit und sind gleich vor dem Gesetz. Aber in der Realität werden die Rechte von Frauen nicht wahrgenommen. Während in der EU Frauen in ihrem Berufsleben unterstützt werden, bekommen schwangere Frauen oder Frauen mit Kindern in der Ukraine eine sofortige Absage bei Bewerbungen. Auch das Einkommen von Frauen beiträgt 70% des Einkommens von Männern.

Die ukrainische Denkweise ist immer noch stark von den sowjetischen Traditionen geprägt. In der Gesellschaft werden die Männer als Verdiener in der Familie bezeichnet und die Frauen als die Hausfrau. Diese Denkweise der Gesellschaft unterdrückt die Rechte von Frauen nicht nur im Berufsleben, aber auch im Alltagsleben. Es ist also meiner Meinung nach wichtig, einen Tag zu haben, an dem an diese Situation weltweit erinnert wird.

R. Abduramanova, Praktikantin  in der Landeszentrale

sehr geehrte Frau R. Abduramanova, ich finde es sehr wichtig, dass in Deutschland über den nationalen Tellerrand auch in dieser Frage gesehen wird. Wie an meinem Namen ersichtlich habe ich, obwohl ich Deutscher bin, ausländische Wurzeln... Diese multikultrurellen Wurzeln ändern die deutsche Gesellschaft und damit auch Europa und das gefällt mir.

Na, da ist  Euch ja ein toller Text und vor allem  ein gutes Foto gelungen. Rechtzeitig zum Internationalen Frauentag mal ein anderer Blick! Weiter so und mehr davon.

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