Parteien, Vereine und Bürgerinitiativen

Neben Parteien, Wählergruppen und einzelnen Personen sind auch unzählige Vereine und Bürgerinitiativen in Brandenburg aktiv. Sie bilden neben neueren Formen bürgerschaftlichen Engagements das Rückgrat von Sport, Kultur und sozialen Aktivitäten. Trotz aller Schwächen: Parteien sind ein integraler Bestandteil unserer demokratischen Grundordnung. Das gilt für die Bundesebene ebenso wie für die Städte, Gemeinden und Landkreise.

Brandenburg-Adler vor einem Nest mit Wahleiern
© Mirco Tomicek

Parteien sind wichtige Mitspieler in demokratischen Systemen. Sie vermitteln zwischen Bürger und politischem System, d.h. sie sind zugleich Übermittler von Positionen der Bürger an die gewählten Vertretungen als auch Vermittler politischer Beschlüsse gegenüber den Bürgern.

Die Bedeutung von Parteien für die Kommunalpolitik wächst mit zunehmender Ortsgröße. In mittleren und kleineren Gemeinden stehen sie häufig in Konkurrenz zu Vereinen und freien Wählergemeinschaften.
 

    Kommunalpolitik ist in den verschiedensten Formen organisiert:
    Organisation der Kommunalverwaltung

    Brauchen Kommunen Parteien?

    Parteipolitik hat in einigen Teilen der Bevölkerung noch immer einen schlechten Ruf. Teilweise beruht dies noch auf vordemokratischen Traditionen aus dem Kaiserreich. Die Weimarer Republik konnte das Vertrauen in die Parteien nicht stärken, heute kommen neue Gründe hinzu. Die Medien tragen ihren Teil zu dieser Entwicklung bei. Wenn Parteien um den richtigen Weg ringen, wird dies oft als „Parteiengezänk“ verschrien. Es gibt eine Sehnsucht nach Harmonie, nach klaren und möglichst einfachen Vorgaben. Diese Sehnsucht verträgt sich nur bedingt mit den Erfordernissen unserer heutigen komplizierten und sich schnell wandelnden Zeit. Trotz aller Schwächen: Parteien sind ein integraler Bestandteil unserer demokratischen Grundordnung. Das gilt für die Bundesebene ebenso wie für die Städte, Gemeinden und Landkreise.

    Funktionen von Parteien

    Orientierungshilfe, Bündelung von Interessen bündeln, Rekrutierung

    • Artikulation- und Aggregation: artikulieren und bündeln Interessen und legen diese den Wählern über Programm und Kandidatenangebot zur Entscheidung vor
       
    • Orientierung: liefern Wählern mittels Programm- und Personalangebot Orientierungshilfe, die auf Vertrauen zur jeweiligen Partei beruht
       
    • Rekrutierung: treffen Vorauswahl bei Bereitstellung politischen Personals, Unterstützung der Kandidaten bei Bewerbung um politische Ämter


    Allerdings spielen die Parteien in den Kommunen eine andere Rolle als auf der Bundes- oder Landesebene. Vor allem in den kleineren Städten und Gemeinden dominiert das persönliche Moment. Die handelnden Personen sind oftmals gut bekannt. Anders als bei Bundespolitikern ist es möglich, Einschätzungen über Kandidatinnen und Kandidaten aus dem persönlichen Erleben zu gewinnen. Kommunale Entscheidungen sind meistens nicht abstrakt und allgemein, sondern konkret und direkt spürbar. Ergeben sich aus dem Bau einer Umgehungsstraße Belastungen für das Wohngebiet A oder B, so lässt sich diese Entscheidung nur bedingt auf der Grundlage eines Parteiprogramms treffen. Dies gilt zumindest, wenn das Programm sich nicht generell gegen den Straßenbau ausspricht.

    Weil sich die handelnden Personen kennen, können Sie anders miteinander umgehen. Teilweise haben sie gemeinsam die Schule besucht oder die Eltern kannten sich schon. Dies ermöglicht einen Umgang miteinander, der über die Grenzen von Parteien und Fraktionen hinausgeht. Das Fehlen der Fünfprozentklausel und die entsprechenden Regelungen im Kommunalwahlgesetz ermöglichen außerdem eine starke Position von Einzelbewerbern und kommunalen Wählergemeinschaften.

    Warum brauchen wir also Parteien auf kommunaler Ebene, wo doch die Sachorientierung und der Kompromiss im Sinne der Stadt, Gemeinde und des Landkreises im Vordergrund stehen sollten?

    Die Kommune ist kein konfliktfreier Raum. Es werden Entscheidungen über knappe Güter und ihre Verteilung getroffen. Es werden Vorteile gewährt und es werden Entwicklungschancen genommen. Mancher, der seine angebliche Sachorientierung in den Vordergrund stellt, will das Vorhandensein wirklicher Verteilungskonflikte verschleiern. Parteien setzen sich im Vorfeld von Entscheidungen mit den bestehenden Konflikten auseinander. Durch ihre grundsätzlichen Haltungen bieten sie eine größere Transparenz über Handlungspräferenzen. Die Auseinandersetzung zwischen den Parteien verdeutlicht, dass es Konflikte gibt.

    Kommunalpolitik war lange Zeit die Angelegenheit der lokalen Honoratioren. Die angesehenen Männer des Ortes trafen die Entscheidungen für die Allgemeinheit. Eine breite demokratische Teilhabe kann aber nicht auf Status und Besitz beruhen. Parteien bieten Beteiligungschancen jenseits lokaler Oberschichten. Das ist oft anstrengender und weniger harmonisch, passt aber besser in unsere Zeit.

    Eine Illustration. Menschen in bunten Pullovern sitzen an einen halbrunden Tisch. In der Mitte der Brandenburger Adler.
    © Anne Albert
    Parteien in Brandenburg

    Charakteristisch für die parteipolitische Struktur Brandenburgs war seit 1990 die herausragende Stellung der SPD in einem Parteiensystem, das von zwei weiteren großen sowie kleineren Parteien geprägt wurde. Dies hat sich in den letzten Jahren verändert.

    Da kommunale Entscheidungen konkrete Auswirkungen haben, bilden sich zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich „lediglich“ auf einem Themenfeld engagieren. Sie kämpfen für, zumeist aber gegen etwas. Parteien sind auf Dauer angelegt und haben so eher ein ausgleichendes und über einen Sachverhalt hinaus gehendes Interesse. Durch ihre Einbindung in die jeweiligen Landes- und Bundesorganisationen ihrer Partei können die lokalen Vertreter Anliegen und Anforderungen in die höhere Ebene transportieren.

    Die Entscheidungen der Landes- und Bundespolitik beeinflussen das Leben in den Kommunen ganz gravierend. Der Druck von unten kann und soll dazu beitragen, Politik im Sinne der kommunalen Ebene zu beeinflussen.

    Aus der Argumentation ist nicht zu schließen, dass in den Kommunen kein breiter Raum für ein kommunalpolitisches Engagement außerhalb der Parteien bestehen sollte. Die Parteien stellen nicht die besseren, aber auch nicht die schlechteren Vertreter kommunaler Interessen. Suchen und finden Sie den für Sie passenden Rückhalt für Ihr kommunales Engagement, innerhalb oder außerhalb der Parteien.

    Freie Wählergruppen

    „Freie Wählergruppen": sind Gruppierungen, die sich ausschließlich um Sitze in der Gemeindevertretung oder in Kreistagen bewerben (auch sogenannte „Rathausparteien"). Sie

    • orientieren sich an Sachfragen.
       
    • sind ein lockerer Zusammenschluss kommunalpolitisch interessierter Personen am Ort und haben kaum einen organisatorischen Unterbau (geringe Mitgliederzahl).
       
    • sind in mittleren und größeren Gemeinden eher mittelständische Interessenvertretungen ohne Bindung an spezifische politische Programme und Organisationsmuster.
       
    • gründen sich manchmal als „vereinigte Opposition“ gegen herrschende politische Partei am Ort.
       
    • sind in kleineren Gemeinden auch Ausdrucksformen von spezifischen Konflikten, die durch die bereits vorhandenen Organisationen/Parteien nicht „abgedeckt" werden.

    Auch Parteimitglieder können Mandatsträger freier Wählergruppen sein. Freie Wählergruppen können sich u.a. landesweit zusammenschließen, um bei Landtagswahlen günstigere Positionen zu erreichen.

    Die Feuerwehr und andere Vereine

    Neben Parteien, Wählergruppen und einzelnen Personen sind auch unzählige Vereine und Bürgerinitiativen in Brandenburg aktiv. Sie bilden neben neueren Formen bürgerschaftlichen Engagements das Rückgrat von Sport, Kultur und sozialen Aktivitäten. Sie binden Bürgerinnen und Bürger an ihre Kommune. Alteingesessene, Neubürger und Eingewanderte, Junge, Alte, Frauen, Kinder: alle können sich in Vereinen beteiligen.

    Vereine haben zudem häufig spezifische Kompetenzen, von denen die Allgemeinheit profitiert. Auch in der Kommunalpolitik sind Vereine aktiv. Für die Mitglieder der kommunalen Vertretungen ist eine Mitwirkung in den Vereinen sinnvoll. Das Vereinsleben ermöglicht immer wieder den direkten Kontakt zwischen Gemeindevertretung und anderen Vereinsmitgliedern. Hier besteht die Chance, Anliegen und Anforderungen vorzubringen. Hier hören die Kommunalpolitiker/-innen zudem ungefiltert, was die Bürgerinnen und Bürger denken.

    Die Vereine müssen sich indessen auch den aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen stellen. Gerade in den ländlichen Räumen leiden sie unter den Folgen der demografischen Entwicklung. Zudem schwindet in Teilen der Bevölkerung die Bereitschaft, langfristige Bindungen mit Vereinen und Initiativen einzugehen.

    Blick in den Himmel mit Bäumen. Darauf der Text "Brandenburg - Im Rampenlicht"
    © BLPB
    Einmischen und mitgestalten!

    Auf der Bühne, dem Fußballplatz oder bei der Feuerwehr – überall in Brandenburg engagieren sich junge Menschen, machen sich stark für unsere Gesellschaft. Wir stellen einige von ihnen vor.

     

    Einfluss von Vereinen in der Kommunalpolitik

     

    • Vereine spielen bei Auslese politischen Personals wichtige Rolle.
       
    • Vereine nehmen Einfluss auf die Realisierung von Kommunalpolitik. Sie sind entscheidend für das Niveau der sozialen, kulturellen und sportlichen Angebote auf kommunaler Ebene.
       
    • Sie wiederspiegeln heute weniger bestimmte soziale Milieus und weltanschauliche Ausrichtungen, sind offener.
       
    • Parteien versuchen Vereine als „Vorfeldorganisationen“ für ihre Interessen zu instrumentalisieren.
       
    • Teilweise problematische Wirkungen des lokalen Vereinswesen (Ausschluss eines Teils der Bevölkerung (Nichtmitglieder) oder Verfilzung). 

     

    Bürgerinitiativen sind Vereinigungen, meist getragen von jüngeren und besser ausgebildeten Bevölkerungsgruppen, die mehr Lebensqualität und mehr politische Mitsprache einfordern. Sie entstehen oft ad hoc. In einigen Fällen bilden sich Initiativen, um etwas zu unterstützen oder zu befördern. In vielen Fällen kämpfen sie auf allen Ebenen gegen Vorhaben der öffentlichen Verwaltungen, vor allem aber im kommunalen Bereich (z.B. Straßenbau oder die Ausweisung von Bauland).

    Auf der einen Seite ist das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern zu begrüßen. Auf der anderen Seite bewegen sich Bürgerinitiativen oft in Spannungsverhältnissen. So legitim es ist, bestimmte Vorhaben aufgrund eigener Interessen und Motive abzulehnen, so sehr steht die Frage nach dem Allgemeinwohl im Raum. Dabei ist es natürlich sehr schwer zu bestimmen, was dem Gemeinwohl eher entspricht: die Durchführung einer bestimmten Maßnahme oder eben ihre Verhinderung.

    Was sich als großes Plus für die Handlungs- und Aktionsfähigkeit der Bürgerinitiativen erweist, kann für die kommunale Gesamtentwicklung zu einem Problem werden: Ihre Ausrichtung auf eine Maßnahme, ein Thema oder ein bestimmtes Projekt. Die Gegenseite hat häufig einen Gesamtzusammenhang zu beachten.

    So hängt die Beurteilung der Initiativen sicher auch von der eigenen Position in der Auseinandersetzung ab. Die kann als Anwohner einer bisher verkehrsberuhigten Zone, die für den LKW-Durchgangsverkehr geöffnet wird, eine ganz andere sein, als die des Spediteurs, der zugleich Mitglied der Vertretung ist.

    Eine erfolgreiche Gemeindevertretung und ein einfühlsamer Bürgermeister suchen auch ohne Druck den direkten Draht zur Bevölkerung. Genauso wie es bei Bürgerinitiativen den Fall von Egoismus und Kirchturmdenken gibt, haben sie schlimme kommunale Planungsfehler gemildert oder die Umsetzung unsinniger Projekte verhindert.

    Man kennt sich - Chancen und Risiken großer Nähe

    Es gibt sie immer wieder: die Fälle von Korruption und Vorteilsnahme. In Abständen tauchen die besonders krassen Fälle schlagzeilenträchtig in den Medien auf. Einige Kommunen im Land haben sich einen besonders zweifelhaften Ruf erworben. Wo aber fangen Korruption und Vorteilsnahme an? Bis wohin gehen die Grenzen einer Zusammenarbeit vor Ort, von der alle profitieren? Was fällt noch unter erlaubte kommunale Wirtschaftsförderung und was ist preistreibende und Wettbewerb ausschließende vergaberechtswidrige Praxis?

    In unseren Kommunen wird viel gebaut. Straßenbau bringt aber nicht nur Vorteile. Z.B. leiden ansässige Händler unter den jeweiligen Bedingungen.

    Die Grenzen sind oft fließend und die Anfänge kaum zu bemerken. Immer wieder wird darüber diskutiert, dass bei Vergaben möglichst die örtlichen Unternehmen zum Zuge kommen. Schließlich garantieren sie Arbeitsplätze und zahlen Gewerbesteuer vor Ort. Grundsätzlich ist diesem Ansinnen zuzustimmen. Die Gefahren können aber bereits hier lauern.

    Gab es Absprachen zwischen der Kommune und lokalen Anbietern? Gibt es mehrere Anbieter vor Ort und es kommt immer derselbe zum Zuge? Gehört der bevorzugte Anbieter vielleicht zu den großzügigen Spendern für den Wahlkampf des Bürgermeisters? Gibt es sonstige Informationsflüsse, von denen bestimmte Firmen profitieren und andere ausgeschlossen werden? Führt das ganze letztendlich zu einer Verteuerung, die von der Allgemeinheit zu tragen ist? Bezahlen die Bürgerinnen und Bürger auf diesem Weg für die Reparaturen am Haus des Bürgermeisters und/oder Bauamtsleiters?

    Man kennt sich, man trifft sich, man schätzt sich. Dies kann dazu führen, dass die Kommune insgesamt profitiert. Es ist doch gewollt, dass sich lokale Unternehmen auch vor Ort engagieren. Dieses Engagement ist zu loben und zu unterstützen. Auch aufgrund ihrer Finanzsituation sind die Kommunen dringend auf die Hilfe durch Private angewiesen. Das darf und soll nicht schlecht geredet werden. Es gibt aber eben auch die (Ausnahme-)Fälle, in denen nicht rechtmäßig gehandelt wird. Um so etwas zu verhindern, gilt es ausreichende Transparenz zu schaffen.

    Adler  ohne Wlan
    © Tomicek
    Wie kann ich mich engagieren?

    Es gibt kaum einen anderen Ort, an dem man sich so direkt einbringen kann wie in der Kommunalpolitik. Bürgerbeteiligung ist der Kern der kommunalen Selbstverwaltung. Die Möglichkeiten und Verfahren dazu sind vielfältig.

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