Das Lausitzer Braunkohlerevier

Brandenburg ist nach Nordrhein-Westfalen das bedeutendste Braunkohleförderland in Deutschland. Wirtschaftlich sichert die Braunkohle Arbeitsplätze in der Region. Klimaschützer protestieren hingegen, so wie viele Menschen, die aus ihren Dörfern vertrieben werden sollen.

Braunkohletagebau in der Lausitz
Braunkohletagebau in der Lausitz. Foto: privat

Im Süden Brandenburgs und im Nordosten Sachsens liegt das Lausitzer Braunkohlerevier. Es ist nach dem Rheinischen Revier die zweitgrößte Braunkohlenlagerstätte in Deutschland. Hier lagern etwa 12 Milliarden Tonnen Braunkohle - Fluch und Segen zugleich.

Gott hat die Lausitz geschaffen, aber der Teufel die Kohle darunter.“
Lausitzer Sprichwort

Seit Ende des 19. Jahrhunderts stieg mit der sich entwickelnden Textil- und Glasindustrie auch der Bedarf an Energie. Die zunächst im Tagebau, dann auch unter Tage gewonnene Braunkohle, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in großflächig angelegten Tagebauen gefördert. 1924 ging die weltweit erste Abraumförderbrücke in der Grube „Agnes“ bei Plessa (Elbe-Elster-Kreis) in Betrieb. Die in großen Mengen geförderte Braunkohle wurde seitdem zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor in der Region - und ist es bis heute geblieben. In der DDR arbeiteten rund 60.000 Menschen in der Kohle, heute hängen über 16.000 Arbeitsplätze allein in Brandenburg von der Braunkohlenindustrie ab. Mehr als die Hälfte des Stroms, der in der Lausitz aus der Braunkohle gewonnen wird, geht an Kunden außerhalb Brandenburgs - und ist damit eine wichtige Einnahmequelle.

Doch der Widerstand von Umweltverbänden, Bauernverbänden und Bewohnern der betroffenen Region wächst - sowohl gegen die bestehenden fünf Braunkohletagebaue als auch gegen die Erschließung neuer Reviere, die die Landesregierung in ihrer "Energiestrategie 2030" vorgesehen hat.

Ihr Argument: Braunkohle war, ist und bleibt ein klimaschädlicher Energieträger. Noch heute erinnern sich viele Ostdeutsche an die kohlenverstaubte Luft, die durch alle Fensterritzen in den Dörfern, die rund um das Abbaugebiet lagen, kroch. Die Schriftstellerin Antje Ravic-Strubel hat Besuche bei der Großmutter in der Lausitz so in Erinnerung:

Wenn sie in der Garten ging, roch die Luft nach Kohle. Sie zog sich eine dunkle Schürze an. So war der Kohlenstaub, der sich auf der Kleidung absetzte..., nicht so schnell zu sehen. Wenn ich im Senftenberger See badete, kam ich mit einer schwarzen Halskrause aus dem Wasser. Meine Oma... musste dreimal täglich die Fensterbretter abwischen... Die Blätter trugen dunkle Schleier." Gebrauchsanweisung für Potsdam-Brandenburg*

Rund 20 Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland stammen aus Braunkohlekraftwerken. Kohlendioxid (CO2) gilt als Hauptursache für die Erderwärmung. Auch die Effizienz steht in der Kritik: Nicht einmal die Hälfte der in der Kohle enthaltenen Energie wird in Strom umgewandelt. Für die Stromerzeugung braucht allein das Kraftwerk "Schwarze Pumpe" täglich 36.000 Tonnen Rohbraunkohle.

Auch der Eingriff in den Wasserhaushalt ist enorm: Bisher wurden mehr als 13 Milliarden Kubikmeter Grundwasser aus den Lausitzer Abbaulöchern gepumpt. Eine sichtbare Nebenwirkung sind die hohen Ablagerungen von Sulfat und Eisenoxid in der Spree und der Lausitzer Seenlandschaft, die sich durch eine dauerhafte Braunverfärbung (Verockerung) zeigen und langfristig die Trinkwasserversorgung und die Fischerei gefährden können.

Die Landesregierung hat das Problem erkannt und versucht den Spagat zwischen der Energiegewinnung aus alten, fossilen Brennstoffen und alternativen, erneuerbaren Formen - ein Vorgang, für den der Begriff der Energiewende geprägt wurde. Folgt man offiziellen Stellungnahmen, so wird bereits heute die Hälfte des verbrauchten Stroms in Brandenburg durch erneuerbare Energien abgedeckt. Ihr Anteil liege rechnerisch bei 51 Prozent. Damit sei Brandenburg weit vorn, denn der Bund gebe diese Zielmarke - 50 Prozent - erst für 2030 vor. Schleswig-Holstein erreichte 2012 einen Anteil von über 60 Prozent. Auch in Mecklenburg-Vorpommern liegt der Anteil der erneuerbaren Energien über 50 Prozent. Deutschlandweit liegt der Wert bei rund 22 Prozent.

Vor dem Hintergrund der Energiegewinnung. © Holger Wirth | fllickr | CC BY-SA 2.0

Die durch die Braunkohleförderung verursachte Zerstörung der Landschaft soll durch ein Renaturierungsprogramm, das größte in Europa, aufgefangen werden. So soll bis 2017 auf einer Fläche von 14.000 Hektar Europas größte künstliche Seenlandschaft entstehen. Für die Sanierung der bis zu einhundert Meter tiefen, ehemaligen Kohlegruben sind seit 1993 im Land Brandenburg rund 3,8 Milliarden Euro ausgegeben worden, bis 2017 sollen noch weitere 590 Millionen hinzu kommen. Die ehemaligen Tagebaugebiete könnten sich so zu einem Zentrum für Tourismus entwickeln.

Dennoch, dass die Landesregierung weiter auf Braunkohle setzt, hat die Umweltorganisation Greenpeace als "vertane Chance" bezeichnet. Die Regierung habe die Gelegenheit verpasst, Brandenburg zum Vorreiter der Energiewende zu machen. Nach Berechnungen der Organisation würden durch die Umstellung auf erneuerbare Energien nicht nur deutlich mehr Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch die Steuereinnahmen für Land und Kommunen steigen.

Beide Seiten, Befürworter und Gegner der Braunkohle, können sich auf wissenschaftliche Studien berufen, die die jeweils eigene Position stützen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat beispielsweise in einer Studie 2012 davon abgeraten, in neue Braunkohlekraftwerke zu investieren. Es gebe weder wirtschaftliche, noch umweltpolitische oder energiewirtschaftliche Gründe dafür. Andere Wissenschaftler, die sich etwa im Braunkohle-Forum, einer Initiative der Deutschen Braunkohle, oder wie der Berliner Professor Georg Erdmann im Auftrag des Brandenburger Wirtschaftsministeriums zu Wort melden, kommen zu entgegen gesetzten Ergebnisse. Demzufolge werde durch den Atomausstieg, der nach den Plänen der Bundesregierung bis 2022 erfolgen soll, Braunkohle auch weiterhin nötig sein, um den wachsenden Energiebedarf decken zu können.

Lexikon
Energiewende

Für die Menschen in der Region hängt viel von der Entscheidung ab, denn die Braunkohle gibt ihnen nicht nur Arbeit. Sie vertreibt sie auch. Ganze Dörfer wurden schon von der Braunkohle "geschluckt". Seit den 1960er Jahren mussten mehr als 80 Dörfer der Braunkohle weichen, 26.000 Menschen wurden umgesiedelt, oft gegen ihren Willen und starken Widerstand. Anders als heute erhielten sie keine oder nur ganz geringe Entschädigungszahlungen und fanden sich in Neubauplattensiedlungen wieder.

Ebenso wie damals aber bedeutet jede Umsiedlung den Verlust von Heimat - und die gibt keiner gern auf. 

Landeszentrale, September 2013
 

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