Für Manuel Schöbel waren in Brandenburg „unwiederbringliche Momente des Glücks gesät. An Brandenburg sind nicht die Städte das schönste. Brandenburg offenbart sich in Enklaven. Das sind gute Orte, dort habe ich die schönsten von der Welt abgeschiedenen Plätze gefunden.“
Manuel Schöbel, geb. 1960 in Dresden, Beutemärker bis 2006
Als Junge durfte ich von Dresden mit dem Zug aus Prag nach Berlin fahren, wenn mein Vater dort arbeitete. Im Speisewagen gab es dann ungarische Salami, die schmeckte fantastisch. Noch besser schmeckte nur noch die Schokomilch in den Tetrapaks. Sahnig und dick.
Als Student zog es mich nach Preußen, weil mich die Schnoddrigkeit und die Lakonie der Menschen faszinierten. Als eingewanderter Sachse fiel ich an der Schauspielschule „Ernst Busch“ in Berlin nicht sofort auf – es gab dort deutlichere Sachsen als mich. Ich bin ein Sprachchamäleon.
In Brandenburg waren für mich unwiederbringliche Momente des Glücks gesät. An Brandenburg sind nicht die Städte das schönste. Brandenburg offenbart sich in Enklaven. Das sind gute Orte, dort habe ich die schönsten von der Welt abgeschiedenen Plätze gefunden. Die Landschaft in ihrer Klarheit und Kargheit spricht mich sehr an. Die Landschaft in Sachsen ist anders, sie hat für mein Empfinden eine andere Aufgabe.
Als Regisseur habe ich Senftenberg, Frankfurt/Oder und Brandenburg an der Havel kennengelernt. Die Mentalität der Menschen ist eng mit der Industriegeschichte der Region verwoben: schnörkellos, praktisch, zuverlässig. Dagegen stand das welthaltige Berlin. Dort ist keine Heimat, dort bin ich auf der Hut. Sachsen hatte zwar eine welthaltige Geschichte, die ist aber vergangen.
Der Süden Brandenburgs sieht aus wie Sachsen. Das half mir, mich zu sortieren, wieder in bereits gelebte Beziehungen einzutreten. Meine Heimat hat sich eingenistet in der Heimat meiner Eltern und meiner Kinder.
Preußen und Sachsen gaben mir beide Impulse und haben mich hin- und hergejagt. Zurück in Sachsen, 2006, habe ich zuerst Minna von Barnhelm inszeniert, eine preußische Geschichte.
Ich bin gerne heimgekehrt. In Sachsen kann ich mich fallenlassen und denken: Die Dinge werden freundlich umspülend auf dich zukommen. Wenn ich entlang der Elbe am Blauen Wunder in Dresden spaziergehe, bin ich ganz bei mir selbst. Ich wertschätze dieses Gefühl deshalb, weil ich so lange und so intensiv weg war. Jetzt muss ich nicht mehr die Landschaften tauschen. Das Fremdere wäre schöner aber mich zieht es zum Friedlichen.
Text: Dr. Tanja Kasischke, 2014
für die Wanderausstellung "Wir Beutesachsen, ihr Beutemärker"
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