Toni Gärtner aus Bad Belzig ist zum Studieren nach Sachsen gegangen. Potsdam erschien ihm zu gerade und herausgeputzt, Berlin zu sehr Moloch. Dresden war die gute Mitte. Inzwischen hat er das Gefühl, dass ihm die ganze Stadt gehört.
Toni Gärtner, geb. 1990 in Bad Belzig (Potsdam-Mittelmark), Beutesachse seit 2011
Ich bin zum Studieren nach Sachsen gegangen. Potsdam erschien mir zu gerade und herausgeputzt, Berlin ist mir zu sehr Moloch. Dresden war die gute Mitte. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass mir die ganze Stadt gehört. Ich weiß das hört sich echt schlimm an und sowas darf ich auch nie wieder sagen, aber ich habe mich blitzartig in Dresden verliebt. Mir fällt auf, dass die Sachsen gemütlicher sind. Und gemächlicher: „Lass mal kommen.“
Meine Freundin ist Sächsin und unfassbar offen. Manchmal lädt sie Fremde, die sie auf Feiern getroffen hat, spontan zu sich nach Hause ein. Das mache ich nicht. Ich kann auch in den Tag hineinleben, aber lieber weiß ich, was auf mich zukommt und stelle mich darauf ein. So gesehen bin ich ziemlich preußisch-aufgeräumt. Ich habe gerne einen Plan.
Überrascht hat mich der Konkurrenzkampf zwischen Dresden als Sachsens Landeshauptstadt und Leipzig. Leipziger legen noch mehr Wert darauf, dass sie aus Leipzig kommen und sind legerer als Dresdner. In Leipzig werde ich meinen Master machen.
Von unseren sächsischen Nachbarn unterscheiden wir Brandenburger uns nicht spürbar, würde ich sagen. Diesen Eindruck habe ich vielleicht aufgrund meines Jahrgangs. Die Welt meiner Generation hat weniger Grenzen als die Welt unserer Eltern hatte.
Mit Heimat verbinde ich das Dorf Lüsse bei Bad Belzig, wo ich aufgewachsen bin. Dort gab es einen Schweinestall oder vielmehr: dessen Ruine, durch die wir als Kinder gerannt sind. In Erinnerung ist mir auch das „Buden bauen“ mit Freunden und meinem Vater.
Wenn ich sage, ich fahre nach Hause, meine ich beides, Belzig und Dresden. Das hängt davon ab, wo ich gerade bin. Ich habe eher eine Heimat dazugewonnen als eine verloren.
Wenn ich in Belzig bin und mein Dresdner Mitbewohner ist zufällig auch Zuhause, gehe ich bei ihm vorbei oder mache einen Spaziergang durch die Stadt. Um zu sehen, was sich verändert hat an den Schauplätzen meiner Kindheit: Schule, Theater, Seecafé.
In Dresden steige ich auf den Fichteturm, wenn ich Abwechslung brauche. Es gibt nichts Höheres dort. Das mache ich relativ oft, auch mit Besuch aus Brandenburg. Ich würde mich jetzt nicht als naturverbunden einschätzen, obwohl ich aus dem Hohen Fläming komme. Was mich am Fichteturm reizt ist der herrliche Ausblick und die städtische Geräuschkulisse – wie in einem Diorama.
Text: Dr. Tanja Kasischke, 2014
für die Wanderausstellung "Wir Beutesachsen, ihr Beutemärker"
Teilen auf
Neuen Kommentar hinzufügen